Oxidation: Wie Wein und Sauerstoff reagieren

April 23, 2023Simon Linke

Wein atmet. Er braucht den Sauerstoff zum Leben. Aber auch zum Erleben – also für den Geschmack. Allerdings gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Oder wie der Fachmann sagen würde: "Es kommt auf die richtige Oxidation an."

Was aber genau ist diese Oxidation? Wie reagieren Wein und Sauerstoff genau miteinander – und in welchen Phasen der Entstehung? Gute Fragen! Deshalb, daher und darum: Die Oxidation einfach erklärt…

Wein und Sauerstoff: Erwünschte Oxidation

Chemisch betrachtet bedeutet Oxidation erst einmal nichts weiter, als dass ein Stoff mit Sauerstoff reagiert. Ein Atom oder Molekül gibt Elektronen ab und ein anderer Stoff nimmt diese Elektronen auf.

Auch beim Wein reagiert der Wein mit seinen Inhaltsstoffen auf den Sauerstoff. Manchmal ist diese Oxidation erwünscht, oft aber auch unerwünscht.

Im Verlauf der Weinherstellung wird an verschiedenen Stellen die Zufuhr von Sauerstoff benötigt, allerdings handelt es bei diesen erwünschten Reaktionen um Oxidationen mit nur ganz geringen Mengen von Sauerstoff, man nennt sie deshalb auch Feinoxidationen:

  • Um die Gärung einzuleiten und die Hefen zu aktivieren, wird Sauerstoff benötigt. Würde man also dem gärenden Wein keine Belüftung ermöglichen, liefe die Gärung nur schleppend voran.
  • Nach der Gärung wird Sauerstoff benötigt, um die Gäraromen zu neutralisieren.
  • Sauerstoff wird ebenso während des Ausbaus benötigt: Er lässt den Wein reifen, denn die Tannine nehmen den Sauerstoff auf. Ein Beispiel ist die Lagerung in Barrique: Das Eichenholz ist luftdurchlässig und der Sauerstoff dringt in geringen Mengen durch das Holzfass an den Wein. Die Fruchtaromen werden so gezielt ein wenig zurückgenommen und die Struktur des Weines wird etwas dominanter.

Wein und Sauerstoff: Unerwünschte Reaktion

Unerwünschte Reaktionen werden wiederum verursacht, wenn die Sauerstoffzufuhr an Maische, Most und Wein einfach zu groß ist.

Entsprechend wird das Traubengut oft schon nach der Lese mit Ascorbinsäure besprüht, um die Oxidation zu hemmen. Dem Wein darf aber nur eine Ascorbinsäure-Menge bis zu 150 Milligramm pro Liter beigegeben werden.

Um die Oxidation bei Maische und Most so gering wie möglich zuhalten – sie würden sich sonst braun verfärben oder gar die Gärung stören – wird ihnen Schwefeldioxid zugeführt. Das Schwefeldioxid verhindert eine schnelle Reaktion des Mosts mit dem Sauerstoff aus der Luft, außerdem wirkt er gegen Mikroorganismen, die den Most verderben könnten.

Im Vergleich zwischen Rot- und Weißwein muss der Kellermeister seine Weißweine stärker vor Oxidation schützen als seine Rotweine. Vom Weißwein werden mehr Frische und Fruchtaromen erwartet.

Rotwein hingegen kann etwas mehr Sauerstoff vertragen, weil die Tannine viel Sauerstoff aufnehmen können, bevor der Sauerstoff überhaupt Schaden an Farbe und Aroma anrichtet.

Oxidativer Ausbau

Der sogenannte oxidative Ausbau ist eine besondere Vinifkations-Methode. Hier wird in kontrollierter Form bei der Gärung mehr Oxidation zugelassen. Zu den oxidativen Weinen gehören vor allem Dessert-Weine, wie Sherry und Portwein. Bei ihnen ist die Oxidation regelrecht erwünscht, weil die Zugabe von Sauerstoff sie kräftig und körperreich macht.

Oxidation Weinfehler: Wann ist der Wein verdorben?

Dass der Wein womöglich oxidiert ist, lässt sich schon beim Öffnen der Weinflasche erkennen. Ein Indiz ist der durchnässte Korken.

Gelangt zu viel Sauerstoff an den Wein verändern seine Farbe, Geruch, Geschmack verändern – man spricht dann auch von einem Weinfehler:

  • Je weiter die Oxidation voran schreitet, riechen Weißweine nicht mehr komplex und gereift, sondern eher schal. Die Aromenvielfalt von Früchten verkleinert sich und der Weißwein riecht mehr nach Sherry. Die Farbe des Weißweins leidet ebenfalls unter der Oxidation: Das frische Helle weicht; die Weißweine verlieren ihre Farbe und werden dunkelgelb oder gar beige.
  • Rotweine verlieren auch durch den reichhaltigen Sauerstoffeinfluss ihre Aromen. Dies wird zunächst noch nicht als unangenehm empfunden, riecht der Wein doch nach einem Kompott, getrockneten Feigen oder Pflaumen. Später allerdings kann sich dieser Weinfehler in den Geruch von Bratensoße verwandeln. Bei Wein – fies! Auch die Farbe des Rotweins verändert sich: Das tiefe Rot trübt sich in ein Gemisch aus Brauntönen.

Oxidierter Wein: Ist er schädlich?

Nein, schädlich ist oxidierter Wein nicht, aber er mundet nicht mehr. Manche nutzen ihren schwer oxidierten Wein noch zum Ablöschen von Soßen. Das ist Geschmacksache. Ansonsten gehört er in den Abfluss. Beim nächsten Mal kann die Oxidation aber verhindert werden…

Wie kann ich die Wein Oxidation verhindern?

Eine Oxidation kommt bei jungen Weinen nur selten vor. Bei alten Weinen, bei denen sich im Laufe der Jahre der Vorrat an freier schwefliger Säure abgebaut hat, kann es eher zu einer Oxidation kommen. Diese kann dann leider auch nicht mehr behoben werden.

Was also tun, damit der Wein nicht oxidiert?

Ist die Flasche geöffnet und bleibt ein Rest übrig kann zweierlei passieren:

  • Manche Rotweine schmecken sogar besser, wenn sie längere Zeit frischen Sauerstoffzufuhr hatten, sie schmecken reifer, entfalten ihr volles Aroma, Tannine kommen besser zu Geltung. Man spricht davon, dass diese Weine atmen müssen. Man kann diese Oxidation auch gezielt herbeiführen, in dem man sie in eine Karaffe* oder Dekantierer füllt oder einen Weinbelüfter benutzt. Allerdings können auch sie nach drei bis sechs Tagen wiederum so stark oxidiert sein, dass sie gar nicht mehr schmecken.
  • Anderen Weinen tut zu viel Sauerstoff gar nicht gut. Sie werden besser mit einem Gas (zum Beispiel Argon – das Edelgas ist schwerer als Luft und mischt sich mit nichts) sauerstoffdicht verschlossen, damit sie auch am nächsten Tag noch wunderbar schmecken. Hierfür können Sie zum Beispiel den Winaro Winesaver nutzen. Er wird einfach auf den Flaschenkopf gesetzt, einmal drücken, das Gas legt sich auf den Wein und verdrängt den Sauerstoff. Hernach die Flasche noch mit einem Korken verschließen. So kann der Wein nicht oxidieren und schmeckt nach Tagen noch voll aromatisch.

Wein und Sauerstoff – das ist eine schwierige Beziehung. Ganz oft braucht der Wein die Oxidation. Manche Weine werden und schmecken tatsächlich besser, wenn man sie nach dem Öffnen der Flasche noch ein wenig im Glas schwenkt. Andere, insbesondere sehr alte Weine können Sie dadurch aber auch ruinieren.

Das rechte Maß macht hier – wie so oft – den Unterschied. Leider gibt es dafür keine allgemeine Regel. Das lässt sich nur lernen durch Ausprobieren. Aber das kann ja auch ein spannendes (Geschmacks-)Erlebnis sein…

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