Leben wie Gott in Frankreich…dazu gehört neben der nicht gerade fettarmen Ernährung mit viel Fleisch auch das ein oder andere Rotwein Glas und die Verdauungszigarette nach dem Essen. Dass Franzosen und Französinnen mittleren Alters deutlich weniger Herzprobleme haben als die restlichen Europäer schrieben Wissenschaftler in den Siebziger Jahren dem Rotwein zu. Wissenschaftler erkannten die darin enthaltenen Polyphenole als Ursache für ein gesundes Herz und einen stabilen Kreislauf. Doch das Phänomen namens „Französisches Paradox“ wackelt. Ist der Rebensaft doch nicht so gesund, wie wir so gerne glauben würden?
Das Französische Paradoxon
Wissenschaftler untersuchten Anfang der Siebziger Jahre die Herz- und Kreislaufgesundheit von Männern und Frauen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren in Frankreich und anderen europäischen Industrienationen. Dabei zeigte sich, dass Französinnen und Franzosen deutlich seltener Herzinfarkte erlitten als zum Beispiel Italiener, Deutsche oder Niederländer. Eine Erkenntnis, die viele überrascht haben durfte, wusste man doch um die Leidenschaft der Franzosen für rotes Fleisch und häufigen Alkohol- und Nikotinkonsum. Zudem hatten sie genauso erhöhte Cholesterinwerte, Blutdruck oder Übergewicht aufzuweisen – alles Faktoren, die eigentlich Herz-Kreislauferkrankungen fördern.
Dieses „Paradoxon“ – vermeintlich ungesunde Ernährung und Verhaltensweisen die keine negativen Folgen auf die Herzgesundheit haben – führte Wissenschaftler schließlich auf den täglichen Rotweingenuss zurück. Inhaltsstoffe in den Traubenschalen, darunter vor allem das Polyphenol Resveratrol, sollen dafür verantwortlich sein, die Blutfettwerte zu verbessern und die Verkalkung der Arterien zu verhindern. Zwei wesentliche Bedingungen für ein geringeres Herzinfarktrisiko. Wer es noch genauer wissen will: die im Rotwein enthaltenen Phenole verringern die Gefahr von Blutgerinnseln, weil sein ein Verklumpen der Blutplättchen vermindern. Weil sie antioxidativ wirken, können manche Polyphenole auch verhindern, dass das LDL-Cholesterin, das im Blutplasma enthalten ist, oxidiert. Weniger Oxidation bedeutet weniger Arteriosklerose, im Volksmund bekannt als Verkalkung der Arterien, ein häufiger Grund für Herzkrankheiten und daraus resultierende Herzinfarkte.
Rotwein versus Weißwein
Die Erkenntnisse der Studie und das geflügelte Wort des „Französischen Paradoxon“ machte schnell die Runde. Weintrinker dies- und jenseits des Rheins fühlten sich endlich bestätigt, schien doch endlich wissenschaftlich gesichert, was sie schon immer vermutet hatten: Wein ist gesund. Dabei schienen sich viele nicht daran zu stören, dass die Inhaltsstoffe, denen man die positiven Effekte auf Herz und Kreislauf zuschrieb, nur in Rot-, nicht aber im Weißwein enthalten waren. Denn nur beim Rotwein wird die ganze Traube verwendet, dabei auch die Schale, in der die wertvollen Polyphenole enthalten sind. Bei der Herstellung von Weißwein wird die Schale vor dem Keltern entfernt und die darin vorhandenen Stoffe gehen verloren.
Bewiesene Wirkung oder bloße Vermutung?
Die Rückschlüsse, die die Wissenschaftler in der Studie gezogen haben, konnte allerdings nur im Reagenzglas wirklich bewiesen werden. Ob und wie die Polyphenole vom menschlichen Körper aufgenommen werden, konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Dabei bleiben bis heute folgende Fragen ungeklärt: Erreichen die Wirkstoffe tatsächlich die Zellen? Ist die Menge, die gegebenenfalls in den Zellen ankommt, ausreichend, um eine positive Wirkung auf die Herzgesundheit zu bewirken? Oder werden die Stoffe nicht sogar durch die Leber abgebaut, bevor sie von den Zellen aufgenommen werden können?
„Wein ist bekömmlich“ – diese Aussage ist verboten
Die Erkenntnisse der Studie freuten nicht nur Weinliebhaber, vor allem auch die Winzer. Verständlich, schließlich ist es verkaufsfördernd, wenn der Rebensaft nicht nur als wohlschmeckend, sondern sogar als Gesundmacher angepriesen werden kann. Pfälzer Winzer nutzten die Studie für sich und priesen ihren Wein als „bekömmlich“ an. Die Behörden ließen allerdings nicht lange auf sich warten und machten den Winzern einen dicken Strich durch die Rechnung. Laut eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs dürfen die Winzer ihren Wein nicht mehr als „bekömmlich“ verkaufen. Die Ursache des Verbots liegt in einem wesentlichen Bestandteil des Weins: dem Alkoholgehalt. Während zwar einige alkoholhaltige Flüssigkeiten als gesundheitsfördernd verkauft werden dürfen (z.B.) … sind „gesundheitsbezogene Aussagen“ ab einem Alkoholgehalt von 1,2 vol. nicht mehr erlaubt.
Ist Rotwein gesund?
Dass der Europäische Gerichtshof so entschieden hat, dürfte nicht verwundern. Die positive Wirkung, die die Wissenschaftler auf die Polyphenole zurückführten, konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Was jedoch in vielen wissenschaftlichen Studien sicher bewiesen werden konnte, ist der schädliche Einfluss von Alkohol auf die Gesundheit. Leberschäden, erhöhtes Krebsrisiko für Rachen, Speiseröhre, Kehlkopf und Mundhöhle, Schwächung des Immunsystems: alles in Studien fundierte negative Auswirkungen auf die Gesundheit durch den erhöhten Konsum von Alkohol.
Rotwein macht dick
Dass Rotwein nicht unbedingt ein diätetisches Genussmittel ist, dürfte auch klar sein. Dass regelmäßiger Alkoholkonsum für eine Gewichtszunahme verantwortlich sein kann, ist ebenfalls kein Geheimnis. Dabei hat Rotwein nicht nur viel Kalorien (eine Flasche Rotwein hat sogar mehr als eine Tafel Schokolade, über 600 Kalorien), der darin enthaltene Alkohol hemmt auch den Fettabbau, was darauf zurückführt, dass Menschen, die sich öfter mal ein Glas genehmigen, häufiger an Übergewicht leiden als Menschen, die auf Alkohol verzichten oder nur sehr selten welchen trinken.
Ist maßvoller Rotweinkonsum der Schlüssel zur Herzgesundheit?
Die Frage, ob Rotwein nun gesund oder ungesund ist, lässt die Forscher nicht los. Im Jahr 2008 wurden auf dem Europäischen Kardiologenkongress die Ergebnisse einer neue Studie mit über 200.000 Teilnehmern vorgestellt. Auch hier wurden wieder Rückschlüsse auf eine mögliche positive Auswirkung auf die Herz-Kreislaufgesundheit aufgeführt. Die Schlussfolgerung: Maßvoller Rotweinkonsum kann das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen um 30 Prozent reduzieren.
Zweifel aufgrund der Methodik
Doch so schön es klingt, auch in diesem Fall sind die Erkenntnisse mit Vorsicht zu genießen. Zwar wurde die Studie mit einer recht hohen Teilnehmerzahl durchgeführt, was eventuelle Rückschlüsse wahrscheinlicher macht, doch hundertprozentig sichere Aussagen lassen sich nicht treffen. Vielleicht ist die positive Wirkung auf der Herz-Kreislaufsystem tatsächlich dem Rotweingenuss zuzuschreiben, denkbar sind aber auch eine Vielzahl anderer Faktoren, die sich günstig auf die Gesundheit auswirken. Wer weiß, vielleicht ist gerade die Spezies „Weinliebhaber“ eine Art Mensch, die sich gesünder ernährt als zum Beispiel Weinverweigerer und das gesunde Herz ist nicht die Folge des Rotweins, sondern eines allgemein gesünderen Lebenswandels? Kritisiert wird an solchen Studien vor allem, dass Faktoren wie dieser und weitere Umstände (Erkrankungsrate, Gesundheitsverhalten der Nichttrinker) komplett außer Acht gelassen wurden. Es gibt also keine Vergleichsmöglichkeit, die die Vermutungen untermauern könnte.
Höheres Infarktrisiko durch Wein?
Achtung, jetzt wird es wirklich verwirrend. Während die Vermutung, dass maßvoller Rotweingenuss gesundheitsfördernd ist, zwar nicht zweifelsfrei bewiesen werden, aber auch nicht widerlegt werden kann, ist man sich im umgekehrten Fall sicher: wer mehr als 600ml Wein am Tag trinkt – und dabei ist es egal ob es sich um Weiß- oder Rotwein handelt – hat ein erhöhtes Infarktrisiko.
Maßvoller Genuss
Wie auch bei so vielem anderen gilt also auch beim Genuss von Rotwein das Gebot der Nachhaltigkeit. Daher empfehlen wir beim Kauf wie bei allen Lebensmitteln auf hochwertige Produkte zu setzen. Unsere Empfehlung sind z.B. die Rotweine von Rhein-Ahr-Wein.de. Wer sich gerne ein Gläschen genehmigt, der hat nicht um seine Gesundheit zu fürchten, sollte aber auch nicht automatisch annehmen, dass er damit sein Herz-Kreislaufsystem schützt. Eine positive Wirkung wird einerseits nur bei über 50-jährigen angenommen, zudem sind viele andere Faktoren, die negative Folgen für die Gesundheit haben, wie zum Beispiel erhöhte Blutfettwerte, wenig Bewegung oder Nikotinkonsum zu berücksichtigen. Experten scheuen sich deshalb auch nach mehreren Studien, die auf eine positive Auswirkung auf die Gesundheit von maßvollem Alkohol- bzw. Rotweinkonsum rückschließen lassen, eine Empfehlung zum Alkoholkonsum auszuprechen. Stattdessen hat man sich auf eine „verträgliche Menge“ geeinigt: Männer dürfen bis zu 20 Gramm pro Tag, Frauen bis zu 10 Gramm Alkohol pro Tag zu sich nehmen, ohne ihrer Gesundheit zu schaden. Und das ist weitaus weniger, als man annehmen mag. Die gesundheitlich verträglich Menge entspricht einem halben Liter Bier oder 0,2 l Wein bei Männern – bei Frauen lediglich die Hälfte. Es sollte also tatsächlich nicht mehr als ein Glas Rotwein pro Tag sein, damit die negativen die positiven Wirkungen nicht übersteigen.
Fazit
Rotwein ist ein Genussmittel, ein alkoholisches Getränk, das gut schmeckt und der perfekte Begleiter zum Essen oder für eine ansprechende Unterhaltung ist. Maßvoller Genuss von Rotwein kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken, bewiesen ist dieser Effekt jedoch nicht. Um wirklich zweifelsfrei nachzuweisen, dass Rotwein gesund ist, sind Langzeitsstudien erforderlich, die andere Faktoren, wie allgemeiner Lebenswandel, Vorerkrankungen, Nikotinkonsum und die Ernährungsweise im Details berücksichtigen. „Leben wie Gott in Frankreich“ ist also nicht gleichbedeutend mit einem langen, gesunden Leben. Etwas können wir aber doch von den Franzosen abgucken: den Genuss beim Essen und die bewusste Aufnahme von Nahrung. Wenn wir dann noch aktiv sind, uns oft bewegen und auf eine ausgewogene Ernährung achten, dann muss auch nicht auf das ein oder andere Glas Rotwein verzichtet werden. Bis mit Sicherheit nachgewiesen werden kann, dass Rotwein gesund ist, sollten wir es mit Hippokrates halten:
„Der Wein ist ein Ding, in wunderbarer Weise für den Menschen geeignet, vorausgesetzt, dass er bei guter und schlechter Gesundheit sinnvoll und in rechtem Maße verwandt wird.“